Warum haben wir Menschen ein viel feingliedrigeres Gesicht als unsere nächsten Verwandten?

7 Antworten

Wenn du dir einmal Bilder von Schädeln der frühesten Vertreter des Menschen (Homo habilis) ansiehst, haben diese optisch eine immer noch viel größere Ähnlichkeit mit den Gesichtszügen von anderen Menschenaffen als mit dem anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens sapiens). Insbesondere der Gesichtsschädel ist deutlich prominenter ausgebildet und auch die typischen Überaugenwülste sind noch vorhanden.

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Abb 1: Schädel eines Homo habilis, Natural History Museum, London © Emőke Dénes, Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0

In der Evolution des Menschen wurde das Gehirn immer größer. Beim Homo habilis ist es mit etwa 650 cm³ zwar schon etwa ein Drittel größer als bei den früheren Vormenschenformen der Gattung Australipithecus. Verglichen mit dem Gehirn anatomisch moderner Menschen, deren Gehirnvolumen zwischen etwa 1200 und 1400 cm³ liegt, ist das aber immer noch recht klein. Bei Neanderthalern (Homo sapiens neanderthalensis) wurde das Gehirn mit bis 1750 cm³ sogar im Schnitt noch etwas größer. Ein so großes Denkorgan benötigt Platz. Deshalb wurde der Hirnschädel (Neurocranium) immer größer. Der Gesichtsschädel (Viscerocranium) wurde gleichzeitig immer kleiner, sodass das Gesicht des Menschen flacher mit "feineren" Gesichtszügen wurde. Schließlich musste der Schädel insgesamt noch durch das knöcherne Becken der werdenden Mutter hindurch passen - wenn ein Schädelteil größer wurde, musste daher logischerweise der andere Teil schrumpfen.

Zum Flacherwerden des Gesichts trug außerdem bei, dass sich die Ernährungsgewohnheiten des Menschen änderten. Erstens nahm Fleisch eine größere Rolle ein als bei den anderen Menschenaffen und den frûhen Vormenschen. Verglichen mit der hartfaserigen Pflanzennahrung ist Fleisch viel einfacher zu kauen. Zweitens fingen die Mebschen an, ihre Nahrung über dem Feuer zu garen. Gekochtes Essen ist ebenfalls leichter zu kauen, gleichzeitig ist es leichter und effizienter verdaubar. Die veränderten Ernährungsgewohnheiten lieferten überhaupt erst die Energie, die für die Entwicklung eines großen Gehirns Voraussetzung war. Weil die Nahrung aber nicht mehr so intensiv gekaut werden musste, brauchte die Kaumuskulatur nicht mehr so stark zu sein. Und infolgedessen schrumpften auch die knöchernen Ursprungs- und Ansatzstellen der Kaumuskulatur.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
 - (Menschen, Tiere, Körper)

Nun, die heutigen Menschenaffen sind den Menschen unähnlicher als den Menschenaffen, die es in Afrika gab, als der Urmensch quasi die Bäume verlassen hat. Die heutigen Menschenaffen haben sich quasi vom Menschen wegentwickelt, also noch mehr zum Affen hin, während sich die ersten Urmenschen zum heutigen Menschen hin entwickelt haben. Das der Kiefer nicht mehr so sehr stark nach vorne gewölbt ist liegt daran, dass der frühe Mensch (genauer der Homo Erectus) das Feuer für sich entdeckt hat. Nahrung konnnte dadurch gebraten / gekocht werden, was sie weicher machte wodurch viel weniger Kauarbeit notwendig war. Dadurch bildete sich der einst kräftige Kiefer langsam zurück und wurde kleiner bzw. flacher, wodurch das Gehirn mehr Platz hatte und sich weiter entwickeln konnte, was neben der veränderten Anatomie des Kehlkopfes (durch die Perfektionierung des aufrechten Ganges) auch zur Entwicklung der Sprache beitrug. Zudem haben Affen längere Arme als Beine, also umgekehrt als beim Menschen. Beim Menschen ist das ebenfalls eine Folge der Perfektionierung des aufrechten Ganges, da sind lange kräftige Beine und kurze Arme sinniger als umgekehrt. Zum Klettern in Bäumen dagegen machen lange Arme und kurze Beine Sinn.

Erstens sehen beide Fotos gleich aus.

Und auch die Affen denken, mann, die komischen Viecher sehen alle gleich aus, abgesehen vom Nike oder Puma T-Shirt

Hey!

Du nimmst uns nur anders wahr, weil wir eben gleich aussehen. Biologen, die sich intensiv mit Affen beschäftigen, können diese sogar am Gesicht unterscheiden. Mensch und Affe (strenggenommen sind wir Affen, das lass ich mal außen vor), erkennen Gesichter gleich.

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(Quelle)

Bei Artgenossen achten wir also eher auf die Augen, bei Artfremden auf andere Gesichtsteile.

Die optischen Unterschiede sind durch Anpassungen an unterschiedliche Umweltbedingungen, Ernährung und soziale Strukturen entstanden. Möglicherweise haben sexuelle Selektion und genetische Drift eine Rolle gespielt. Aber feinzügiger sind wir nicht wirklich, das nehmen wir nur so wahr, da die Affen Artfremde sind.

Liebe Grüße!

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Schwuttcke 
Fragesteller
 07.08.2023, 13:49
Aber feinzügiger sind wir nicht wirklich, das nehmen wir nur so wahr, da die Affen Artfremde sind.

Du denkst es ist keine objektive Tatsache, dass unser Gesicht feinzügiger ist als das eines Affen? Also wenn ich mir das wulstige, grobschlächtige Gesicht und die undefinierte Knollennase des Affen anschaue, stelle ich schon eine (glaube ich) objektive Tatsache fest.

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Skyler0003  07.08.2023, 14:02
@Schwuttcke

Ja, für uns mag das tatsächlich so wirken. Ich finde auch, wir sehen feinzügiger aus, sind wir aber nicht - meines Wissens nach. Affen denken sich wohl das gleiche bei uns.

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Das ist in erster Linie ein Wahrnehmungsproblem.

Unser Gehirn ist auf die Wahrnehmung von Unterschieden zwischen verschiedenen Gesichtern trainiert, aber wenn die Unterschiede zu groß werden, versagt sozusagen die "Feinerkennung", und es werden zunächst nur noch die groben Merkmale wahrgenommen (so hört man z. B. häufig Aussagen wie "Die Asiaten sehen doch alle gleich aus").

Das Gehirn ist aber lernfähig, und wer z. B. als Europäer einige Zeit in China lebt, wird auch dort schnell die individuellen Unterschiede der Gesichter wahrnehmen. Ebenso berichten Biologen, die sich z. B. intensiv mit einer Gruppe Schimpansen beschäftigt haben, dass sie die Tiere am Gesicht unterscheiden und auch kleine Veränderungen wahrnehmen können.


Schwuttcke 
Fragesteller
 07.08.2023, 13:35

Hab ich auch schon mal gehört. Soll sogar Menschen geben, denen die Fähigkeit fehlt, Gesichtern zu unterscheiden. Selbst wenn ihnen ihre Mutter über den Weg läuft, erkennen sie die nicht.

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