Meinung des Tages: Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt: Der Verfassungsschutz hat die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft?

Fast zwei Monate dauerte die Verhandlung, in der es darum ging, ob die AfD tatsächlich als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden darf. Das Urteil ist eine Niederlage für die AfD, die mit der Berufungsklage gegen das Urteil der Vorinstanz somit gescheitert ist. Eine Revision ist nicht zugelassen.

Die Kategorien zur Einstufung

Es gibt drei Stufen zur Einordnung möglicher Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

Die erste Stufe ist das Anlegen eines Prüffalls. Geprüft wird hier, ob es genügend Anhaltspunkte gibt, um eine Beobachtung durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt darf der Verfassungsschutz dann nur Informationen aus offen zugänglichen Quellen sammeln. Dazu gehören beispielsweise Zeitungsartikel, Internetauftritte oder auch Fernsehbeiträge.

Wenn aus diesem ersten Schritt die Erkenntnis gewonnen wird, dass es Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gibt, wird der Fall hochgestuft zum „Verdachtsfall“. Die betreffende Gruppierung zählt nun als „Beobachtungsobjekt“.

Die letzte Stufe nennt sich „gesichert extremistische Bestrebung“. Der Verdacht ist zu diesem Zeitpunkt verfestigt, es gibt keinen Zweifel mehr, dass extremistische Bestrebungen vorliegen.

Folgen der Einstufungen

Durch eine Einstufung wird eine Gruppierung nicht verboten. Es handelt sich lediglich um eine Maßnahme des Verfassungsschutzes. Vereinsverbote kann nur das Bundesinnenministerium aussprechen.

Konkret bedeutet das in diesem Fall, dass das Gericht dem Verfassungsschutz Recht gegeben hat. Die Einstufung war zulässig und der Verfassungsschutz hat korrekt gehandelt. Es ist möglich, dass sie sich durch das Urteil bestärkt sehen, die AfD nun weiter hochzustufen. Schon vor einiger Zeit gab es einen Bericht darüber, dass der Verfassungsschutz an einem Gutachten zur Hochstufung des Status der AfD arbeiten könnte. Diese würde dann als „gesichert rechtsextrem“ kategorisiert werden.

Das Gericht hat bei der Entscheidung allerdings auch eine Einschränkung getätigt: Obwohl demokratiefeindliche Bestrebungen bei der AfD zu finden seien, so das Gericht, seien diese nicht so stark ausgeprägt, wie der Verfassungsschutz behauptet.

Wie die AfD nun vorgehen könnte

Wenig überraschend kündigte die Partei bereits an, diesen Rechtsstreit vor das nächst höhere Gericht zu bringen. AfD-Vize Peter Boehringer sah im Verfahren eine „ungenügende Sachverhaltsaufklärung“. Die AfD stellte nämlich während der Verhandlung zahlreiche Befangenheitsanträge gegen die Richter – diese wurden allesamt abgelehnt.

Obwohl eine Revision ausgeschlossen wurde, könnte die AfD nun gegen die Nichtzulassung eine Beschwerde innerhalb eines Monats einlegen. Die Beschwerde geht direkt an das OVG selbst, wenn dies die eigene Entscheidung allerdings nicht ändert, kann wiederum das Bundesverwaltungsgericht die Revision doch noch zulassen. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen existieren – würde eine Revision letztlich doch zugelassen werden, so würde dann das Bundesverwaltungsgericht wiederum das Urteil aus Münster prüfen.

Unsere Fragen an Euch:

  • Wie bewertet Ihr die Entscheidung des Gerichts?
  • Sollte die AfD weiter hochgestuft werden?
  • Denkt Ihr, dass die Partei mit einem weiteren Antrag gegen das Urteil Erfolg haben könnte?
  • Wie wird sich diese Entscheidung auf die Europawahl auswirken?
  • Geht die AfD zu unkritisch mit klar rechtsextremistischen Personen / Aussagen innerhalb der Partei um? Inwieweit verstärkt
  • Schwächt die Entscheidung Euer Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Organe?

Wir freuen uns auf Eure Antworten!
Viele Grüße
Euer gutefrage Team

Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-ovg-verdachtsfall-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/afd-verfassungsschutz-verdachtsfall-gerichtsurteil-100.html
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-verfassungsschutz-oberverwaltungsgericht-urteil-100.html
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-verfassungsschutz-gutachten-extremistisch-skepsis-100.html

Bild zu Frage
Ich finde die Entscheidung gut, da ... 71%
Ich finde die Entscheidung nicht gut, weil ... 24%
Ich habe eine andere Meinung und zwar ... 5%
Europa, Geschichte, Deutschland, Regierung, Recht, Gesetz, Gericht, Antrag, Bundestag, Demokratie, Gerichtsverhandlung, Partei, Rassismus, Rechtsextremismus, Revision, Urteil, Verfassung, Wahlen, Bundesverfassungsgericht, Europawahl, Verdacht, AfD, Rechtspopulismus, Verfassungsschutz, Meinung des Tages
Gericht verurteilt Björn Höcke wegen SA-Parole?

Das Landgericht Halle hat den Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke wegen Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a StGB zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro (100 Tagessätze zu je 130 Euro) verurteilt, weil er zum Abschluss einer Wahlkampf-Veranstaltung in Sachsen-Anhalt im Jahr 2021 "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!" gerufen hatte (siehe hier und hier)

Der Slogan "Alles für Deutschland" wurde während des Nationalsozialismus von der Sturmabteilung (SA) genutzt. Kernfrage des Prozesses war, ob Höcke dies gewusst und insofern vorsätzlich gehandelt hat. Die Nichtkenntnis würde zur Straflosigkeit führen. Höckes Verteidigung hat angekündigt gegen das Urteil notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen.

Ich persönliche glaube nicht, dass Höcke die Parole kannte. Die SA wurde 1934 entmachtet, so dass der Slogan nicht derart popularisiert wurde wie etwa "Meine Ehre heißt Treue" von der SS. Höcke ist zwar Geschichtslehrer, aber auch Lehrer sind keine Übermenschen, die alle geschichtlichen Details kennen. Ein Arzt kennt ja auch nicht jede Krankheit. Vor allem hat eine Verurteilung für Höcke nur negative Konsequenzen. Warum sollte er diese riskieren?

Was ist eure Meinung zu dem Urteil?

Richtiges Urteil. 72%
Falsches Urteil. 28%
Geschichte, Nachrichten, Deutschland, Politik, Recht, Gesetz, Gericht, Psychologie, Drittes Reich, Extremismus, Justiz, Nationalsozialismus, SA, Sachsen-Anhalt, Strafrecht, AfD, Björn Höcke

Meistgelesene Fragen zum Thema AfD